Malcolm de Chazal

 

Bildnerischer Sinn

(Auszüge)

 

Der Idiot blökt mit dem Blick.

 

Die Gewürze lassen die Zunge Foxtrott und den Gaumen Walzer tanzen. Gewürze: Tanz der zehen des Geruchsinns.

 

Die Täler sind die Büstenhalter des Windes.

 

Das Blaue erkältet sich im Blaugrünen und niest im Grauen.

 

Das Klavier bildet die Schneidezähne, und die Blechinstrumente sind die Backenzähne des Orchesters – denn das Klavier zerschneidet die Töne, die die Blechinstrumente sodann zerkauen. Flötensolo im gedämpften Orchester: die Sinfonie ißt mit ihren Vorderzähnen.

 

Die Wollust ist eine wechselseitige Niederkunft zwischen zwei Fleischgräbern auf dem öden Friedhof des Geistes.

 

Die menschliche Stimme ist der Mittag der Töne.

 

Die weibliche Brust ist ein Apfel in einer Birne, aus der eine Weinbeere hervorspringt. Die Brust ist das Äußerste an Verschmelzung: alle Früchte in einer.

 

Die Wollust macht aus dem Rückenmark einen einzigen Finger, wie um das Gehirn von innen zu berühren und zu streicheln.

 

Wie eine Wasserkugel, die den Wind zerfetzt und ihn Schreie ausstoßen läßt, ersschießen sich die Körper in der Wollust mit dem Atem, mit ihrem runden Hauch.

 

Die Farben sind die Gelenke des Lichts. Beim hellen Erstrahlen beugt die Sonne den Ellbogen; und beim sanften Schimmern beugt die Sonne die Knie, wie um auf allen Vieren über die Dinge zu kriechen.

 

Kuß: Zwei Schmetterlinge aus Fleisch, der eine in des andern Fliegenfalle im purpurn gewordenen Azurblau ihrer Riesenflügel – zwei Unendlichkeiten in ein und demselben Liebeshimmel, die rasend miteinander zu verschmelzen suchen, so wie sich Licht und Farbe im strahlend Hellen umschlingen.

 

 

Aus: Sens plastique, 1947, zitiert nach: Das surrealistische Gedicht, hg. von Heribert Becker, Edouard Jaguer und Petr Král, Frankfurt / Main 1985.